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Kohle-Bergwerk  in Katowice, Polen





       der Preiszone kritisiert. Grund: Diese laufe dem Ziel eines europäischen Strombinnenmarkts
       zuwider. Auch der Börserat der EEX, der European Energy Exchange als Marktplatz für Energie
       und energienahe Produkte, hat sich in einem 27-seitigen Positionspapier für die Erhaltung des   Die  E-Control  hat  Beschwerde  beim
       gemeinsamen Strommarkts ausgesprochen. Dort heißt es, dass die Spaltung der deutsch-ös-  ACER-Beschwerdeausschuss gemäß Art.
       terreichischen Preiszone „negative Folgen für den Markt als Ganzes“ hätte. Europas liquideste   19 ACER-VO eingebracht. Diesem Protest
       Preiszone zu beenden, wäre laut dem Positionspapier von Daniel Wragge, der bei der EEX die   haben sich einige österreichische Markt-
       politischen und regulatorischen Angelegenheiten leitet, „ein gewaltiger Rückschritt“. Denn die   teilnehmer angeschlossen. Ein Entscheid
       Möglichkeiten zur Risikominderung schwinden und können zu höheren Energiepreisen führen.   von ACER lag Anfang Februar 2016 vor
          Sein Kollege, Dr. Dr. Tobias Paulun, Chief Strategy Officer und Managing Director bei der   und mündete in einem Schreiben an die
       EEX, äußerte bei der Veranstaltung in der österreichischen Botschaft in Berlin seine Bedenken:   EU-Kommission und die betroffenen Mit-
       „Die gemeinsame Preiszone hat eine enorme Bedeutung für die Herausbildung des europäi-  gliedsstaaten. Nächster formaler Schritt:
       schen Börsenstrom-Referenzpreises und ist Voraussetzung für einen liquiden Handel.“ Das gel-  Die EU-Kommission könnte ein Vertrags-
       te vor allem auch für den längerfristigen Terminhandel und ein Handelsvolumen von mehr als   verletzungsverfahren gegen Österreich
       25 Milliarden Euro, das man nicht aufs Spiel setzen dürfe. Statt einer Aufteilung der Preiszone   anstrengen. Darüber hinaus hat sich die
       spricht sich Paulun für eine Erweiterung aus, um den europäischen Strombinnenmarkt weiter   E-Control im November 2015 entschlos-
       umzusetzen und die Liquidität des Handels weiter zu stärken. Sinnvoll sei es jedoch, über eine   sen, gegen die ACER-Stellungnahme durch
       stärkere Kostenteilung beim Netzausbau und beim Netzbetrieb zu verhandeln. Auch Prof. Dr.   Einbringung einer Nichtigkeitsklage beim
       Dieter Hundt, Präsident der Deutschen Handelskammer in Wien, hat sich kritisch zur geplanten   Gericht der Europäischen Union (EuG) ge-
       Aufspaltung der Preiszonen geäußert: „Es wäre unverantwortlich und kurzsichtig, die gewach-  mäß Art. 263 AEUV vorzugehen. Die Kla-
       senen Strukturen … leichtfertig aufs Spiel zu setzen und zu trennen.“ Er appellierte an die Wirt-  ge der E-Control gegen die Trennung des
       schaftsminister beider Länder, sich für den Erhalt der deutsch-österreichischen Strompreiszone   deutsch-österreichischen  Strommarktes
       einzusetzen.                                                           wurde am 1. Februar 2016 im EU-Amtsblatt
                                                                              veröffentlicht. Der Klage haben sich eben-
       Polen und Tschechien als starke Gegner                                 falls einige österreichische Marktteilneh-
          In der Diskussion um die deutsch-österreichische Preiszone haben auch Tschechien und   mer angeschlossen. Die E-Control rechnet
       Polen ein Wörtchen mitzureden. Die Republik Tschechien wiederum bekämpft die deutsch-   für Herbst 2017 mit einem Urteil des Ge-
       österreichische Preiszone, weil für sie die „Wahrung der Geschäftsgrundlage für die tschechi-  richts der EU.
       schen Atomkraftwerke im Vordergrund“ steht. Schließlich erwarte sich Prag Marktchancen in
       Österreich und könnte von höheren Preisen profitieren.    3
         Nicht außer Acht zu lassen ist Polen. Warschau hatte ACER in Sachen Preiszone angerufen.
         Für Polen geht es neben überlasteten Netzen und veralteter Infrastruktur um den Schutz und
    Foto: Grygiel / PAP / picturedesk.com  Fortbestand der knapp 100.000 Arbeitsplätze in der Kohleindustrie. Die Kumpel holen jedes Jahr   1|  Vgl Consentec, 09/2014; Consentec, 02/2015;

                                                                          Frontier Economics und Consentec (2014)
       Kohle im Wert von knapp neun Milliarden Euro aus den Bergwerken – das sind zehn Prozent
                                                                         2|  Martin Graf, Philipp Irschik, „Die deutsch-österreichische Strompreiszone“. Utl:
       des polnischen Bruttoinlandsprodukts. Bleibt am Ende die Frage, ob Polen nicht nur regelmäßig
                                                                          Das europäische Paradebeispiel für die Integration von nationalen Energiemärkten
       die ehrgeizigen Klimaziele der EU ausbremst, sondern nun auch die deutsch-österreichisch-
                                                                          steht vor dem Aus. Hrsg.: Österreichische Gesellschaft für Europapolitik. S. 13.
       luxemburgische Preiszone.
                                                                         3| Martin Graf, Philipp Irschik, „Die deutsch-österreichische Strompreiszone“. S. 12.
                                                                                    ENERGIE INSIDE JUNI/16   17
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