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Gemeinsame Preiszone:
Kohle als Hürde?
Die Preiszone zwischen Österreich, Deutschland und Luxemburg gilt als Erfolgsmodell.
Die deutsche Energiewende und die starke polnische Kohleindustrie könnten sie zu Fall bringen und
Strom für heimische Verbraucher teurer werden lassen. Dagegen machen österreichische Behörden
und Energieversorger mobil.
Anfang Mai hat die EU-Kommission erwogen, Deutschland in zwei reichische Gesellschaft für Europapolitik ausgearbeitet. Sie schreiben,
Strompreiszonen aufzuteilen. Wie das „Handelsblatt" schrieb, sei aus dass „die gezielte Steuerung von Kraftwerken zur Entschärfung von
EU-Kommissionskreisen zu hören, dass die Energiewende in Deutsch- Engpasssituationen zielführender, weniger marktintensiv und effekti-
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land zu einem „nicht mehr akzeptablen Problem" geführt hat. Die ver“ wäre. Außerdem sollte der Netzausbau vorangetrieben werden.
Nachbarländer leiden, „weil Deutschland im Norden völlig irrational
Erzeugungskapazitäten aufbaut, ohne gleichzeitig ausreichend Netz- Diplomatische Aktivitäten
kapazitäten zu schaffen", heißt es im Handelsblatt. Mitte April 2016 stand das Thema der gemeinsamen Preiszone
Deutschlands Vizekanzler Sigmar Gabriel widersprach prompt: bei einer Veranstaltung der Österreichischen Botschaft in Berlin im
Eine Aufspaltung in unterschiedliche Preiszonen sei zwar „rein theo- Mittelpunkt, an der rund 90 Vertreter von Unternehmen, Botschaften,
retisch denkbar, aber unrealistisch.“ Einen Beitrag zur Entschärfung des Interessenvertretungen und Ministerien teilgenommen haben. Titel:
Problems haben Berlin und die Länder nun selbst vorgeschlagen: Mit „Österreich und Deutschland, Partner im europäischen Strommarkt.“
dem künftigen Erneuerbare-Energien-Gesetz soll Deutschland in zwei Unter den Diskutanten war unter anderem der deutsche Regu-
Windkraftzonen aufgeteilt werden. Unabhängig davon könnte es der lator Jochen Homann, Chef der Bundesnetzagentur. Obwohl der ge-
Preiszone zwischen Deutschland, Österreich und Luxemburg an den waltige Stromüberschuss und die fehlenden Transportkapazitäten in
Kragen gehen. Dagegen wehrt sich Österreich. Wie berichtet hatte die Deutschland ein hausgemachtes deutsches Thema sind, ist Homann
EU-Behörde ACER im September 2015 deutsche und österreichische Verfechter der Abschaffung der Preiszone zwischen Österreich und
Regulierungs- sowie Übertragungsnetzbetreiber aufgefordert, sich Deutschland. Auf Anfrage von EAA-Energie Inside schrieb die Bun-
bis zum 23. Jänner 2016 zur Einführung eines Engpassmanagements desnetzagentur: „Österreich kann nicht erwarten, dass auf Dauer ein
zu verpflichten. Deutschland unterstützte den Vorstoß. Nachdem der unbegrenzter Stromhandel zwischen Deutschland und Österreich
Beschwerdeausschuss von ACER im Dezember 2015 entschieden hat- stattfindet, wenn die Übertragungskapazitäten endlich sind. Es gilt,
te, dass die Stellungnahme der Behörde rechtlich nicht bindend ist, den Handel an der sicher transportierbaren Stromleistung auszurich-
erklärten beide Länder, die Forderung von ACER nicht umzusetzen. ten und vom teuren und marktfernen Redispatch-Aufwand wegzu-
Stattdessen hatte sich Österreichs Regulierungsbehörde E-Control im kommen.“ Für Deutschland geht es besonders darum, den Vorwurf zu
November 2015 zu rechtlichen Schritten gegen die Abschaffung der entkräften, dass vor allem Nachbarstaaten Nutzen aus stark subven-
Preiszone entschieden, weil ACER in ihrer Stellungnahme geltender tioniertem Ökostrom ziehen. Ebenfalls an dem Abend in Berlin anwe-
europäischer Rechtsprechung widerspricht (siehe Kasten). send war Univ.-Doz. Dr. Mag. Stephan Schwarzer, Leiter der Abteilung
Umwelt- und Energiepolitik in der Wirtschaftskammer Österreich. Er
Für Österreich steht viel auf dem Spiel: Studien prognostizieren setzt sich für den Fortbestand der gemeinsamen Preiszone ein: Denn
eine Verteuerung der Großhandelspreise in der Höhe von 15 Prozent. „durch das Ende der Preiszone würde man den Rückwärtsgang bei
Dies entspricht Mehrkosten für österreichische Stromkunden von bis der Stromintegration einschalten. Das wäre ein Schlag ins Gesicht
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zu 300 Millionen Euro pro Jahr. Mag. Christian Wojta, Geschäfts- der Wirtschaftsintegration. Daher hoffen wir, dass es zu einer Lösung
führer der EAA: „Ein Aufheben der Preiszone wäre zum Nachteil für kommt.“
Österreich und absolut gegen das Ziel der europäischen Union, einen
gemeinsamen europäischen Markt zu schaffen.“ Verbündete Deutsche
Der laufende Prozess beim Gericht der Europäischen Union (EuG) Österreich profitiert stark vom Status quo. „Deshalb unterneh-
verschafft Österreich eine Verschnaufpause – laut E-Control bis zum men wir am meisten“, sagt Schwarzer. Aber neben der EU-Kom-
Herbst 2017. Lösungsansätze abseits der Gerichtssäle hat DI (FH) Mag. mission gibt es auch einige deutsche Verbündete: etwa den Dach-
(FH) Martin Graf, MBA als ehemaliger Vorstand der E-Control mit sei- verband der deutschen Energiewirtschaft. Er hat im Namen seiner
nem Assistenten Mag. Philipp Irschik in einem Aufsatz für die Öster- 1.800 Mitgliedsbetriebe die Empfehlung von ACER zur Aufspaltung
16 ENERGIE INSIDE JUNI/16