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ähnlich dem Zertifi katehandel mit Emissionsrechten. Für die großen   Was bringt der Elektro-Boom?
       europäischen Autokonzerne bedeutet die Produktionsquote Chinas: Sie      Bjart Holtsmark, Ökonom bei der norwegischen Statistikbehörde,
       müssen in die Herstellung von Elektrofahrzeugen in China investieren   hat bereits 2014 mit Anders Skonhoft von der Norwegischen Universität
       und dabei mit chinesischen Fahrzeug- und Batterieherstellern Joint   für Wissenschaft und Technologie die Studie „The Norwegian support
       Ventures eingehen. Die gängigen Produkte der Autozulieferindustrie   and subsidy policy of electric cars. Should it be adopted by other coun-
       vor allem aus Südkorea und Japan sind in China dagegen tabu. Sicher-  tries?“ veröffentlicht. Dabei erklärt er die norwegische Förderung von
       heitsmängel, heißt es zur Begründung. Derzeit ist auf Chinas Straßen   Elektroautos für „kontraproduktiv“ und fordert, sie „so schnell wie mög-
       bei mehr als 190 Millionen Fahrzeugen erst eine Million Elektro- und   lich“ zu beenden. Er plädiert auch dafür, dass diese Politik nicht von an-
       Plug-in-Pkw unterwegs. Das ist die Hälfte der weltweit zugelassenen   deren Ländern umgesetzt werden sollte, denn es sei zweifelhaft, ob die
       Elektroautos. 2016 wurden in China rund eine halbe Million Elektro- und   norwegische Elektroauto-Politik einen positiven Netto-Nutzen-Effekt
       Plug-in-Fahrzeuge verkauft, 53 Prozent mehr als im Vorjahr. Chinas ehr-  hat. Seine Rechnung: Über den gesamten Lebenszyklus hinweg biete
       geiziges Ziel ist es, 2020 fünf Millionen Elektro- und Plug-in-Fahrzeuge   das Elektroauto kaum ökologische Vorteile gegenüber einem moder-
       auf den Straßen zu haben. Prof. Dr. Stefan Bratzel, Direktor des Center   nen Verbrenner – wenn man etwa die Herstellung und Entsorgung der
       of Automotive Management (CAM) und Dozent an der Fachhochschule  Batterie mit einrechnet. Es ist eine Behauptung, bei der sich Holtsmark
       der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach, hebt hervor, dass die   auch auf aktuelle Studien im Auftrag der norwegischen Regierung
       Elektromobilität weltweit maßgeblich vom chinesischen Markt getrie-  stützt. Denn einer der besorgniserregendsten Aspekte der Förderanreize
       ben werde, während das Wachstum in den meisten anderen Märkten   in Norwegen ist, dass „Familien mit hohem Einkommen dazu motiviert
       nur sehr langsam  voranschreite.                 werden, ein zweites Auto zu kaufen“. Wenn zwei Autos pro Haushalt
                                                        häufi ger werden, würden sie laut Holtsmark eine Herausforderung für
       Vorbild Norwegen                                 die Umwelt darstellen und das „würde zweifellos bedeuten, dass die
          Bei den Marktanteilen der Elektrofahrzeuge in Europa liegen Island   Elektroauto-Politik als Instrument zur Verringerung der Treibhausgas-
       und Norwegen klar voran. Schon jetzt fahren auf Norwegens Straßen   emissionen ihr Ziel verfehlt“. Laut Holtsmarks Studie koste die Förde-
       mehr als 120.000 Elektroautos. Bis Ende des Jahres dürften es bereits   rung den norwegischen Staat so viel Geld, dass man mit den gleichen
       150.000 sein. Das Ergebnis kommt nicht von ungefähr: 2016 war be-  Mitteln Emissionszertifi kate auf dem europäischen Markt einkaufen
       reits jeder dritte Wagen, der neu zugelassen wurde, ein Elektrofahr-  und einfach verfallen lassen könnte. Und zwar so viele, dass Norwegen
       zeug. Ein wesentlicher Grund für diesen E-Boom liegt in den staatlichen   damit bereits heute CO -neutral wäre.
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       Förderungen. Wer sich in Norwegen für ein Elektroauto entscheidet,
       spart nicht nur die Mehrwertsteuer in Höhe von 25 Prozent, sondern   Aufholbedarf in Österreich
       auch die Registrierungssteuer. Die Kraftfahrtsteuer fällt niedriger aus      Auch  wenn  Österreich  sich  dem  Thema  Elektromobilität  bisher
       als für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Hinzu kommen noch wei-  engagiert angenähert hat, besteht im Vergleich zu Norwegen großer
       tere „Förderzuckerl“: Elektroautos dürfen in vielen Städten gratis ge-  Aufholbedarf. Das von der Regierung geschnürte E-Mobilitätspaket
       parkt und an öffentlichen Ladestationen kostenfrei aufgeladen werden.   sollte den Durchbruch für die Elektromobilität bringen. Die Bilanz nach
       Mautstraßen, Busspuren und Fähren können kostenlos benutzt werden.   knapp einem Jahr ist allerdings ernüchternd. Bis zu 4.000 Euro Prämie
       Nun aber werden erste kritische Stimmen laut, denn Oslo kommt mit   erhalten Käufer von Elektroautos seit Jänner 2017 – und doch bleibt das
       dem Bau neuer Ladesäulen nicht mehr nach. Laut der Interessensver-  Interesse an Elektroautos knapp ein Jahr nach dem Start des Umwelt-
       tretung der norwegischen Elektroautobesitzer Norsk Elbilforening seien   bonus trotz Zuwachsraten generell eher zurückhaltend. Von Jänner bis
       1.300 Ladestationen in der norwegischen Hauptstadt einfach zu wenig,   August 2017 wurden in Österreich 4.674 Elektrofahrzeuge zugelassen.
       um die im Großraum Oslo registrierten 50.000 Elektrofahrzeuge und   Der Anteil der Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen liegt bei mage-
       30.000 Hybridautos aufzuladen. Obwohl die staatlichen Subventionen   ren 1,5 Prozent im Verhältnis zu allen Neuzulassungen. Ob das österrei-
       für Elektromobilität zunehmend in                chische Förderprogramm Breitenwirkung erzeugt, wird sich weisen. Der
       der Kritik stehen, soll bis mindes-              Verkauf von Elektroautos nimmt jedenfalls nur langsam Fahrt auf.
       tens 2020 nicht daran gerüttelt
       werden. Denn die Norweger                        Geringes Interesse am Elektroauto
       halten an der Selbstver-                            Das ist kein rein österreichisches  Phänomen:  Die  Entwicklung
       pfl ichtung fest, bis 2025 nur                   der Elektromobilität verläuft in den meisten europäischen Ländern
       noch emissionsfreie Pkw in                       schleppend. Zu den Schlusslichtern im globalen Vergleich zählt trotz
       Norwegen zuzulassen.                             Förderprogrammen  auch  Deutschland:  Unser  Nachbar  hinkt  seinem
                                                        ambitionierten Ziel, sich bis 2020 als Leitmarkt mit mindestens einer Mil-
                                                        lion Elektrofahrzeugen zu etablieren, hinterher. Und das, obwohl das
                                                        Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) den
                                                        Erwerb eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs mit dem
                                                        Umweltbonus von 4.000 Euro für reine Elektro-
                                                        autos und 3.000 Euro für Plug-in-
                                                        Hybride fördert. ➜


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