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Die drei wichtigsten Thesen der enervis-Studie: Diese Frage wird nicht zuletzt von den politischen Rahmenbedingungen
1. „Ohne einen beschleunigten Kohleausstieg ist eine effi ziente und sowie der weiteren Entwicklung der jeweiligen Technologien abhängen.
effektive Dekarbonisierung von Strom und Wärme nicht mög-
lich. Der Kohleausstieg (für Deutschland; Anmerkung der Redak- Zukunft liegt in Forschung und Innovation
tion) ist daher energiewirtschaftlich und politisch vorrangig. Die Verknüpfung von Strom, Wärme und Mobilität ist für den Kli-
2. Erdgas bleibt bis mindestens 2040 die kosteneffi zienteste ma- und Umweltschutz von großer Bedeutung. Allerdings nur dann,
CO -Vermeidungsoption für Wärme und bis 2050 und darüber wenn langfristig auf erneuerbare Energietechnologien zurückgegrif-
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hinaus ein kosteneffi zienter CO -armer Energieträger für die fen wird. In diesem Zusammenhang gelten Power-to-Gas, Wasser-
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notwendigen Gaskraftwerke. stoff und grünes Gas als zukunftsträchtige Innovationen. Das öster-
3. Die Gasinfrastruktur stellt eine wichtige Flexibilitätsoption für reichische Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie
die Flankierung der erneuerbaren Energien dar. Eine dekarboni- (bmvit) setzt sich stark für die Erforschung von erneuerbaren Energien
sierte Welt mit Power-to-Gas kann volkswirtschaftlich günstiger ein: „Insgesamt geht es darum, einen möglichst großen Anteil der be-
sein als eine Welt ohne Gas.“ nötigten Energie aus erneuerbaren Energieträgern zu decken, Netzaus-
bau und -stabilität zu gewährleisten und dabei fossile Energien alsbald
zu ersetzen“, heißt von Elisabeth Mitterhuber, Pressesprecherin, aus
„Eine Pipeline-Infrastruktur für dem bmvit. Nicht umsonst investiere das bmvit in die österreichische
synthetische Gase, sei es Wasserstoff oder Energieforschung jährlich mehr als 100 Millionen Euro. So etwa läuft
synthetisches Methan, ist ein zentrales am Standort der Gasstation Auersthal die erste österreichische Power-
Lösungselement der Energieversorgung.“
to-Gas-Anlage als Pilotprojekt, das vom Klima- und Energiefonds mit
rund 1,2 Millionen Euro gefördert wird. Unter dem Namen „Wind2Hy-
Julius Ecke, Autor der EEG-Studie, drogen“ geht es um die Neuentwicklung eines fl exiblen Hochdruck-Elek-
Prokurist bei enervis energy advisors GmbH Berlin
trolyseurs. Unter dem Namen „Underground Sun Storage“ und „Sun
Conversion“ laufen unter der Leitung der Rohöl-Aufsuchungs Aktien-
Das heißt auch: Für den Transport von Strom müssen nicht mehr gesellschaft (RAG) zwei weltweit einzigartige Forschungsprogramme:
viele meterhohe Starkstrommasten neu errichtet werden, son- „Wir sind überzeugt davon, dass es sinnvoll ist, den aus erneuerbaren
dern synthetisches Gas kann über die bereits bestehenden Pipe- Energien (Sonne und Wind) gewonnenen Strom in einen gasförmigen
lines transportiert werden. Auch der Bedarf an umfangreichen Energieträger umzuwandeln. Damit gelingt es, diese erneuerbare Ener-
Back-up-Kraftwerken wird über die Nutzung der Speicherpotenziale gie in großen Mengen zu speichern und auch gut in vorhandener Infra-
der vorhandenen Gasinfrastruktur deutlich reduziert. Damit können struktur zu transportieren“, heißt es dazu vom Unternehmen.
die volkswirtschaftlichen Kosten der Dekarbonisierung erheblich
gesenkt werden. Die Studie zeigt auf, dass die Sektorenkopplung Die drei Super-Energien
über Power-to-Gas-Technologien forciert werden sollte, um die EAA-Energie Inside hat sich mit dem Energieökonomen Matthias
Klimaschutzziele bis 2050 kosteneffi zient zu erreichen. Dr.-Ing., DI Huber vom ifo Institut und DI Dr. Stefan Müller, Leiter der Prozesssimu-
Matthias Huber, Energieökonom am renommierten Münchner ifo lation in der Arbeitsgruppe Zukunftsfähige Energietechnik am Institut
Institut, sagt: für Verfahrenstechnik der TU Wien, die Energieträger Wasserstoff, Po-
wer-to-Gas und grünes Gas genauer angesehen. Huber: „Grundsätzlich
ist zu sagen, dass alle Technologien ihre Vor- und Nachteile haben. Da-
her müssen Entscheidungen zur Förderung einzelner Technologien sehr
„Technologien, die auf der Verbrennung
fossiler Energieträger basieren, werden auf sorgfältig getroffen werden.“
lange Sicht nur eine kleine Rolle spielen.“
Dr.-Ing., DI Matthias Huber, „Wir entwickeln derzeit die erforderlichen
Energieökonom , ifo Institut, München Verfahren und Technologien für den
gewünschten Umstieg.“
„Mittelfristig könnten sie als Brückentechnologien fungieren."
Im Wärmebereich erwartet Huber den „Einsatz vieler elektrischer DI Dr. Stefan Müller, Leiter der Arbeitsgruppe
am Institut für Verfahrenstechnik der TU Wien
Wärmepumpen“ – jedoch könnten seiner Meinung nach wasserstoff-
betriebene Brennstoffzellen zur Strom- und Wärmeerzeugung „eine
sinnvolle Alternative oder Ergänzung sein“. Auch im Verkehr ist es noch „Wir haben bereits viele Lösungen erarbeitet. Die technologischen
eine offene Frage, welche Technologie sich schlussendlich durchset- Voraussetzungen für den gewünschten Umstieg gibt es“, sagt Müller:
zen wird. Aktuell sieht es laut Huber eher nach „einer Dominanz bat- „Derzeit fehlt es uns jedoch an geeigneten, ökonomischen Rahmen- Fotos: enervis, ifo, TU Wien
terieelektrisch betriebener Fahrzeuge aus“. Aber auch die längerfristige bedingung, um die entwickelten Technologien auf breiter Basis ins
Koexistenz von Wasserstoff und Batterien ist eine Möglichkeit. etablierte Energiesystem auszurollen.“
24 ENERGIE INSIDE DEZ/17