diskutierten WIFO-Ökonom Stephan Schulmeister, bauMax-Vorstand Werner Neuwirth-Riedl und Roger Kohlmann, Geschäftsführer des BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft Deutschland) zum Thema "Energiemarkt: Von der De-Regulierung zur Re-Regulierung".
Kohlmann schildert die Ereignisse kurz nach der Energiemarktliberalisierung aus deutscher Sicht: "Es kam nach der Liberalisierung zu einem ruinösen Preiskampf am Markt. Die Preise sind nun wieder angestiegen, liegen aber noch immer auf dem Niveau von vor 12 Jahren. Ich kenne nicht viele Branchen, die das von sich behaupten können. Leider sind auch viele Preisvorteile nicht bis zum Kunden durchgedrungen, da sie durch höhere Steuern und Abgaben auf Energie zuvor abgeschöpft wurden. Der größte Gewinner der Liberalisierung ist der Staat."
Neuwirth-Riedl macht auf die Probleme bei einem grenzübergreifenden Wettbewerb auf-merksam: "Das Prinzip 'follow the customer' ist derzeit nicht möglich. Ich möchte, dass mich mein heimischer Versorger mit Strom und Erdgas auch in Bulgarien versorgen kann. Rein technisch dürfte das kein Problem sein."
Kohlmann sieht hier die Energie-Regulatoren in der Pflicht: "Das Aufgabengebiet des Regulators sind die Netze. Beim Durchleiten der Energie in andere Länder herrscht noch Handlungsbedarf. Wir brauchen gleiche Spielregeln auf allen europäischen Energiemärkten. Für die Kontrolle der anderen Wertschöpfungsstufen wie Erzeugung und Vertrieb, sind aber die Wettbewerbsbehörden zuständig."
Die Aufsicht der Märkte ist auch Schulmeister ein Anliegen: "Jeder Markt muss gesondert betrachtet werden. Nicht immer führt eine vollständige Liberalisierung automatisch zu den gewünschten Effekten."
Einigkeit herrschte darin, dass die Zukunft der Energiewirtschaft aktiv gestaltet werden muss.
Neuwirth-Riedl: "Ich wünsche mir von der Politik klare Rahmenbedingungen. Die Energiewirtschaft muss ihrerseits gemeinsam mit NGOs, Wirtschaft und der Industrie an Lösungen arbeiten. Wie können wir in Europa die Energieversorgung auf effiziente und um-weltverträgliche Art gestalten, sodass der Wirtschaftsstandort Europa auch global wettbewerbsfähig bleibt?"
Kohlmann erinnert an die bevorstehenden Investitionen in nachhaltige Energieerzeugung: "Sie werden diese Märkte in 10 Jahren nicht wiedererkennen. Es wird der gewaltigste Investitions- und Veränderungsprozess der nächsten Jahrzehnte werden, den die EU jemals erlebt hat. Um langfristige Investitionen zu ermöglichen, benötigen wir allerdings einen Konsens von Gesellschaft, Politik und Energiewirtschaft, wie die Zukunft der Energieversorgung gestalten sein soll. Im Moment erleben wir alle vier Jahre einen regulatorischen Richtungswechsel, also alles andere als stabile Verhältnisse. Daher wünsche ich mir von Europa weniger Aktionismus bei der Liberalisierung der Energiemärkte."
Schulmeister appelliert: "Liberalisierung per se ist kein Ziel, sondern ein möglicher Weg. Das Ziel ist eine optimale und umweltschonende Versorgung der Bevölkerung und der Unternehmen mit Energie."
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