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steigt. Da die Zertifikate nicht verfallen und in Zukunft mehr wert Außerdem wird die Menge neuer Gratiszertifikate für die Indust-
sein könnten, könnten die Zertifikate also noch begehrter werden. rie in der nächsten Zertifikats-Handelsperiode von 2021 bis 2030
noch einmal um 2,3 Prozent reduziert werden. Damit sollte auch
der Zertifikatspreis, der seit vielen Jahren im Keller war, ansteigen,
„ Keiner will mehr seine Zertifikate was jetzt gelungen ist. Die jetzige Reform soll außerdem Investi-
um fünf Euro verkaufen, wenn tionen ankurbeln, die zu einer Senkung der Emissionen führen.
er in Zukunft 20 oder mehr Euro Dieter Drexel, Energieexperte der Industriellenvereinigung: „Wenn
dafür bekommen kann.“ der Preis steigt, wird die politische Diskussion zum Emissionshan-
del sicher wieder Fahrt aufnehmen. Sowohl für Industriebetriebe,
Carlos Perez-Linkenheil, Analyst bei Energy Brainpool die auch trotz gewisser Gratiszuteilungen an CO -Zertifikaten er-
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hebliche Unterdeckungen aufweisen, als auch für die Energiever-
sorger, die ja keine Gratiszuteilungen bekommen, geht es letzt-
Er ist überzeugt davon, dass die Nachfrage in Zukunft weiter stei- endlich um erhebliche Summen, die den Unternehmen entzogen
gen wird. „Wo sich der Preis einpendeln wird, weiß keiner so richtig. werden.“
Einige Unternehmen verkaufen deshalb jetzt dennoch, weil ihnen
Liquidität momentan lieber ist als eine Wette auf CO -Preise.“ Etwas differenziert sieht das die Wirtschaftsforscherin Claudia Kett-
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ner-Marx. Sie kennt „ältere Studien, bei denen die energiebasierten
Der Berliner Emissionshändler Michael Kröhnert sagt, dass zwar CO -Emissionen einen geringen Anteil an den Gesamtkosten“ haben.
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„manche Betriebe glauben, dass der Preis für die Tonne CO wieder Natürlich gebe es ihrer Meinung nach „Industriezweige, die Angst
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fallen wird – oder sie hoffen es. Ich glaube nicht, dass das der Fall vor höheren CO -Preisen haben könnten – etwa die Stromhersteller“.
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sein wird.“ Ob der Preis hoch oder niedrig ist, ist dem Emissions- Aber sonst gebe es viele Ausnahmen für Industriebereiche, die auch
händler „egal“. Denn er kauft im Auftrag. Wäre er Spekulant, hätte weiterhin mit Gratiszuteilungen von Zertifikaten rechnen könnten.
er die freien Mengen gekauft. Das sei jetzt durch andere Marktteil-
nehmer passiert. „Die Betreiber werden CO -Mengen brauchen – die Mindestpreise für CO gefordert
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brauchen sie immer. Und wenn Mengen reduziert werden, weil die Im Mai hat die in Österreich für CO zuständige Ministerin Elisabeth
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Europäische Union sie aus dem Markt nimmt, dann passiert das, Köstinger das Thema weiter geschürt. Sie hatte einen Mindestpreis
was wir jetzt erlebt haben und erleben“, sagt Kröhnert weiter. Dass für die Tonne CO auf europäischer Ebene gefordert, den sie gemein-
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es trotz der jüngsten Beruhigung an den Märkten weiter aufwärts sam mit „einigen Mitgliedstaaten“ umsetzen will. Für Univ. Prof.-
geht, unterstellt auch der Terminmarkt: Am 1. August 2018 war Dipl.-Ing. Dr. Reinhard Haas vom Institut für Energiesysteme an der
der Abrechnungspreis für den Dec-2019-Kontrakt bei 18,03 Euro Technischen Universität Wien sind nicht so sehr die Mindestprei-
je Emissionsrecht oder European Union Allowance (EUA), wie die se entscheidend, sondern seiner Meinung nach wäre „ein Preis von
Händler sagen. Der Preis für den Dec-2024-Kontrakt stand bei Re- mehr als 30 Euro je Tonne CO das richtige Signal“ für die Wirtschaft.
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daktionsschluss bei mehr als 23 Euro je EUA. Hinzu kommt, dass der „Auf diesem Niveau waren wir schon einmal und dieses Niveau ist
Ausstoß von Kohlendioxid noch nie so hoch war wie zuletzt. Vergan- verträglich. Wenn wir allerdings einen Preis von 50 Euro je Tonne
genes Jahr waren 32,5 Milliarden Tonnen CO emittiert worden – das hätten, dann würde das die Treibhausgasemissionen entsprechend
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waren um 1,4 Prozent mehr als 2016. Die Energienachfrage wuchs stärker reduzieren.“
laut Internationaler Energieagentur (IEA) um 2,1 Prozent, getrieben
vor allem durch das globale Wirtschaftswachstum. Die Folge: war-
me Sommer mit neuen Hitzerekorden. Auch in Österreich steigt der
CO -Ausstoß nach Jahren der Stagnation seit 2015 wieder.
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Historische Preise
Verschärfter Emissionshandel Der EU-Emissionshandel trat am 1. Januar 2005 in Kraft. Der CO -
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Die EU-Kommission, die Vertreter des EU-Parlaments und die Preis erreichte im Frühjahr 2006 mit 30 Euro den historischen
Mitgliedstaaten der Europäischen Union waren heuer im Mai Höchstwert. Nachdem Ende April 2006 bekannt wurde, dass die
übereingekommen, den Handel mit CO -Zertifikaten ab 2019 zu französischen Unternehmen 2005 knapp 12 Prozent weniger
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verschärfen. Das bedeutet: Die im Vorjahr einbehaltenen 900 Millio- Kohlendioxid emittierten, als sie eigentlich dürften, brach der
nen Verschmutzungspapiere bleiben, anders als geplant, langfristig Preis der Emissionshandelszertifikate auf 9,13 Euro ein. Im April
weg vom Markt. Darüber hinaus soll eine Marktstabilitätsreserve 2013 hatte eine Tonne CO an der Börse EEX gerade einmal
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geschaffen werden, bei der überschüssige Zertifikate geparkt wer- etwa 2,5 Euro gekostet. Dann kletterte der Kurs bis Ende 2015
den sollen. Nach Einschätzung der Kommission werden rund 2,5 auf bis zu acht Euro und pendelte von da an für etwa eineinhalb
Milliarden Zertifikate nicht mehr unmittelbar benötigt. Und mit
Jahre zwischen 4,5 und 6,5 Euro je Tonne CO . Im Vorjahressom-
Fotos: Brainpool Hilfe der Marktstabilitätsreserve sollen ab 2019 jedes Jahr etwa mer kostete eine Tonne CO gerade einmal fünf Euro. Von da an
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weitere 200 Millionen EU-Zertifikate vom Markt verschwinden.
ging es bergauf. Das Allzeithoch liegt beim CO -Preis rund zehn
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Jahre zurück. Damals und auch schon 2006 war der CO -Preis bei
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etwa 30 Euro gelegen. 19