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Große Lagerbestände dämpfen Ölpreis              „Öl ist im Vergleich viel zu billig“
          Ein weiterer Faktor für die Preisentwicklung ist das Wirtschafts-     Auf die Frage, ob Öl nicht viel zu billig sei, antwortet Rose:
       wachstum. Wenn die Wirtschaft wächst, nimmt normalerweise   „Ja, es ist im Vergleich viel zu billig. Die Ölwirtschaft hat in den ver-
       der  Energieverbrauch  zu.  Und  wenn  mehr  Energie  verbraucht  wird,   gangenen  40  Jahren  eine  unheimliche  Leistung  hingelegt  und  hat
       steigt üblicherweise auch der Preis für das schwarze Gold. Was die-  aus dem Ölpreis unheimliche Kosten durch technologischen Fort-
       se Entwicklung diesmal bremsen könnte, sind laut Rose „die großen   schritt herausgenommen. Das hat Öl sogar billiger gemacht.“ Öko-
       Öl-Lagerbestände in den USA. Seit 95 Jahren hat es nicht mehr so   logisch gesehen müssten Steuersysteme so gestaltet werden, dass
       volle Bestände gegeben“. Daher werde es nicht unmittelbar „zu einem   sie den Verbrauch von fossiler Energie teurer machen. Rose: „Ob Sie
       harten Preisanstieg kommen. Sondern zuerst werde das Wirtschafts-  es  glauben oder  nicht:  Der  Ölkonzern  Shell  hat  der  EU-Kommissi-
       wachstum dazu führen, dass die Lagerbestände schrumpfen“. „Der   on Ende der 90er-Jahre vorgeschlagen: Wir wollen CO -Steuern. Ihr
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       Preisanstieg könnte 2019 oder Anfang 2020 stattfinden“, vermutet der   müsst uns nur sagen, wie es funktioniert, damit wir uns darauf ein-
       Professor. Er sieht weltweit auch einen gewissen dämpfenden Einfluss   stellen können.“ Herausgekommen sei dabei aber „nichts, denn die
       der Erneuerbaren auf die Preisentwicklung von Öl und Gas – ebenso   Politik hat sich nie auf so ein System einigen können“. Denn so ein
       wie bei der Energieeffizienz. Das werde Auswirkungen auf den Ölpreis,   System müsse regional weitreichend gleich sein, weil es sonst zur Ver-
       aber vor allem auch auf den Gaspreis haben.      lagerung von Industriestätten komme. Seiner Meinung nach müssten
                                                        die Subventionen weg: „Das Problem ist nur: Die Subventionen einer
       Das Zwei-Grad-Ziel ist tot                       Windfarm kann ich wegnehmen. Dann betrifft es den Betreiber. Aber
          Wir haben nach wie vor eine Weltwirtschaft und eine Gesellschaft,   wenn ich die Subvention im Ölbereich wegnehme, dann betrifft das
       die auf Öl basiert. Wir müssen da raus, aber so einfach ist das nicht.   viele Millionen Menschen und das trauen sich Regierungen nicht.“
       Die Entkopplung von fossilen Ressourcen sei zwar im Gange, aber
       nicht  in dem Ausmaß, wie man das haben möchte. Wir können nicht
       einmal davon ausgehen, dass der Ölbedarf in den nächsten 20 bis 30
       Jahren zumindest konstant bleibt.  Rose: „Da wäre ich vorsichtig. Das
       Erdölzeitalter endet nicht, wie in Paris vereinbart, in den nächsten
       20 bis 30 Jahren. Wir haben im Weltenergierat für 2035 ein globa-
       les Ölverbrauchsmaximum vorausgesagt. Das bedeute aber nicht,
       dass dann auch die Förderung von Erdöl zu Ende geht.“ „Öl brauchen
       wir für die Chemieindustrie auch weiterhin sehr dringend. Und die
       Chemieindustrie wächst jedes Jahr mit bis zu sieben Prozent“, sagt
       er. Laut Rose werde die Entkarbonisierung daher auch „nicht 2050
       stattfinden, sondern zwischen 2060 und 2070“. Abgesehen davon
       müssten  bis dahin  zumindest einige der Maßnahmen zum Klima-
       schutz zu greifen anfangen. Wenn die Verbrauchsspitze bei Öl nach
       2035 komme, „dann schaut es mit dem Weltklima wirklich schlecht
       aus. Weil dann geht die globale Erwärmung vielleicht nicht mehr auf
       die zwei Grad, sondern schon auf die fünf Grad zu“. 1)

          Das Zwei-Grad-Ziel ist nach Roses Meinung nach „tot. Das funk-
       tioniert so nicht. Ich weiß nicht, was man da schlucken muss, um das
       wirklich zu glauben, dass eineinhalb Grad möglich sind“. Das Problem
       sei: „Die Prognosen werden entweder von ökologisch sehr leiden-  Univ.-Prof. DI Karl Rose, Geschäftsführer
       schaftlichen Menschen gemacht. Die halten immer alles für möglich   und Gründer der Strategy Lab GmbH
       und sagen dann immer, es sei nur die böse Politik und die Wirtschaft,
       die etwas verhindere. Oder umgekehrt sind es Menschen, die viel zu   Nach dem Studium der Erdölwissenschaften an der Montan-
       wenig von den Mechanismen der Energieversorgung verstehen. Es   universität in Leoben ist er für zwei Jahre auf einer Bohrinsel
       gibt  ja kaum objektive, sachlich  nachvollziehbare Einschätzungen   in der Nordsee tätig, danach für mehrere Jahre im Oman. Es
       zum Thema Klimapolitik.“ Was jetzt die globale Erderwärmung an-  folgen Stationen beim Ölkonzern Shell in Den Haag, Wa-
       geht, werde sich der Mensch teilweise, soweit das möglich ist, an die   shington und London. 2008 beginnt Rose seine Tätigkeit als
    Fotos: EAA/Ludwig Schedl  dann „werden wir den CO -Anteil in den Meeren und der Atmosphäre   erstellt er für das World Energy Council Zukunftsszenarien und
                                                          Chefstratege von Royal Dutch Shell International. Seit 2010
       Klimaumstellung anpassen müssen. Und wenn es zu schlimm werde,
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       reduzieren müssen. Das was, technisch dann auch möglich sein sollte“,
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       sagt Rose.
       1 |  Das Zwei-Grad-Ziel beschreibt das Ziel der internationalen Klimapolitik, die
        die globale Erwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius gegenüber dem        ENERGIE INSIDE DEZ/17   31
        Niveau vor Beginn der Industrialisierung begrenzen will.
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