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Steigende Vernetzung Gefährliche Erneuerbare?
„Gleichzeitig mit dem wachsenden Vernetzungsgrad nimmt die Rund 6.000 Kilometer Übertragungsnetze gehen durch Österreich.
Steuerbarkeit mit unseren bisherigen Methoden ab“, sagt Saurugg: Ei- Damit es zu keiner Unter- oder Überversorgung kommt, sind sie in
nerseits kann durch neue Technologien die Ausfallwahrscheinlichkeit Europa synchron zusammengeschaltet. Sie werden von Netzbetreibern
reduziert werden. Gleichzeitig können sich in weit vernetzten Syste- abhängig von der Volatilität der Stromerzeugung geregelt.
men Störungen leichter und rascher ausbreiten – auch über System- Was den Betreibern aber zu schaffen macht, ist der fortschreitende
grenzen hinaus. Der Offizier warnt davor, dass ein Blackout unsere Ausbau der erneuerbaren Energien. Denn Windkraft exakt vorherzusa-
gesamten stromabhängigen Infrastrukturen und Services betreffen gen, ist unmöglich, da Böen überraschend entstehen und Windparks
würde. dann plötzlich Strom produzieren. Aber auch die schwer prognostizier-
bare Stromerzeugung durch Solarparks macht es herausfordernd, das
IT-Experte Kob zeigt ein weiteres Bedrohungspotenzial auf: „Da österreichische und damit das europäische Leitungsnetz zu regeln und
keine Technologie hundertprozentig sicher ist, erhöht jede Technolo- zu stabilisieren. Um das Netz nicht zu überlasten, können diese Über-
gie, die zusätzlich ins Netz und in die Energieversorgungskette einge- schüsse in Pumpspeicherkraftwerken zwischengespeichert werden.
bracht wird und keine ältere Technologie ersetzt, auch die Gefahr. Die
meisten Risiken gehen gar nicht von neuen Technologien aus, sondern Die Austrian Power Grid AG (APG) hat also alle Hände voll zu tun:
vom Vernetzen mit bestehenden, die ursprünglich gar nicht dafür ge- Es gebe zwar keinen Grund für Panik, aber „der Grat zwischen Versor-
dacht waren.“ gungssicherheit und Blackout ist schmäler geworden“, sagte Gerhard
Christiner, technischer Vorstand der Austrian Power Grid (APG), heuer
Mehr Angriffsmöglichkeiten durch Smart Meter? im Rahmen des Energietags der Sparte Industrie in der Wirtschafts-
Bei der informationstechnischen Vernetzung kommen intelli- kammer Oberösterreich. Aus seiner Sicht fehlt es in Europa an einem
gente Stromnetze, die Smart Grids, ins Spiel. „Sie wurden vor Jahren „steuernden Element“ bei der Energiepolitik. Während die EU-Kom-
als die Lösung für viele Probleme verkauft“, so Major Saurugg: mission einen Binnenmarkt für Strom anstrebe, werde Versorgungssi-
cherheit oft national, und zwar komplett unterschiedlich, definiert. So
fördert Deutschland die erneuerbaren Energiequellen massiv, während
„HEUTE ZEIGT SICH, DASS SIE DAVON etwa Polen auf Kohle setzt und Frankreich oder Tschechien auf Nukle-
NUR WENIG ERFÜLLEN KÖNNEN. GLEICH- arenergie. Gleichzeitig werde viel zu wenig in den Ausbau der großen
ZEITIG WIRD IMMER KLARER, DASS WIR Übertragungsleitungen investiert. Um dem Zuwachs an Erneuerbaren
DAMIT EIN MASSIVES RISIKO FÜR DIE langfristig gewachsen zu sein, ist der Ausbau der Infrastruktur aber
INFRASTRUKTUR IN KAUF NEHMEN.“ essentiell.
Prinzipiell sind erneuerbare Energieträger nicht problematisch.
Aber es wurde offenbar darauf vergessen, Sicherheitsstrukturen in
Major Herbert Saurugg, MSc, IKT- und Cyber-Sicherheit,
Österreichisches Bundesheer das Gesamtsystem einzubauen. „Die resiliente Infrastruktur ist nicht
mit dem rasanten Ausbau der Erneuerbaren mitgewachsen“, sagt Ro-
Sorgen mache dem IT-Experten Kob die geplante massenhafte manautor Elsberg:
Verbreitung gleicher Geräte: „Das ist ähnlich wie in der Landwirt-
schaft mit Monokulturen. Taucht eine erfolgreiche Bedrohung auf,
ist sie sehr schwer einzudämmen und es kann sich daraus schnell
ein Gau entwickeln.“ Durch die beabsichtigte Vernetzung und den „GRUNDSÄTZLICH MANGELT ES IN
Einsatz von Smart Metern beim Endkunden können sich Ansätze für UNSEREN KOMPLEXEN SYSTEMEN
kriminelle Handlungen ergeben – bis hin zur Sabotage und Störung HÄUFIG AN ‚RESILIENZ PER DESIGN‘.“
ganzer Stromnetze. Grund: Smart Meter sind Computer in einer
weitgehend ungesicherten Umgebung beim Endkunden. Laut dem
IT-Offizier gehe aber „die primäre Gefahr nicht von einem digitalen
Zähler aus, sondern von dem in Österreich vorgeschriebenen Fern- Marc Elsberg, Autor des Bestsellerromans „Blackout“
wirksystem“. Der österreichische Smart Meter ist nämlich kein rei-
ner Zähler, sondern kann auch aus der Ferne abgeschaltet werden. Angst vor Blackouts übertrieben
Dieser sogenannte „Breaker“ sei daher auch die große Sicherheits- Univ.-Prof. Reinhard Haas vom Institut für Energiesysteme und
schwachstelle. Darüber sind sich Datenschützer wie Hans Zeger von Elektrische Antriebe an der TU Wien schätzt die Situation weni-
der ARGE Daten einig. Ohne Breaker wäre das Risiko bedeutend ge- ger kritisch ein: „Aus energiewirtschaftlicher Sicht wird die Gefahr
von großflächigen Stromausfällen in Zukunft nicht ansteigen.“ Er
ringer, sagen sie. Es gilt: Je geringer die Angriffspunkte, desto bes-
Fotos: Wastian, Ilgner ser. Das stellte auch schon die Deutsche Bundesnetzagentur 2011 sieht zwar „unkalkulierbare Risiken aufgrund höherer Gewalt. Das
war aber schon vor 50 Jahren so und daran wird sich künftig auch
fest: „Intelligente Stromnetze brauchen Smart Meter an strategisch
nichts ändern.“
wichtigen Netzpunkten. Aber nicht in jedem Haushalt.“
ENERGIE INSIDE DEZ/16 17