Page 17 - EAA_MAG_NOV15
P. 17

Als Gründe nennen sie die „Verringerung der Liquidität und die    zumindest Deutschlands Wirtschaftsminis-
       Gefahr der Ausübung der Marktmacht“. In Deutschland wird un-  ter Sigmar Gabriel. Er besteht auf den Bau
       terdessen akribisch daran gearbeitet, die Ursachen für die Überbe-  von weiteren Starkstromtrassen vom Nor-
       anspruchung der Netze zu beheben: Unter dem Stichwort Redes-  den und Osten Deutschlands nach Bayern
       patching werden die Stromproduzenten in Norddeutschland immer   bis 2024. Das sorgte im Freistaat für poli-
       öfter angewiesen, weniger Elektrizität ins Netz einzuspeisen, um Eng-  tischen Wirbel und Widerspruch. Gabriel
       pässe in den Leitungen von Norddeutschland zu überwinden. Gleich-  drohte den Bayern zuletzt sogar mit Preis-
       zeitig werden Stromproduzenten in Süddeutschland aufgefordert,   zonen –  mit dem Effekt, dass nun die politi-
       ihre Produktion anzukurbeln.  Etwas langfristiger, aber umso nach-  schen Akteure wieder an einem Tisch sitzen,    Sigmar Gabriel
       haltiger ist der Ausbau der Netze bei unserem nördlichen Nachbarn.   um an einer Lösung zu arbeiten.  Bundeswirtschafts-
       Aktuell wird zwischen Thüringen und Bayern eine Starkstromleitung                 minister Deutschland
       gebaut. Sie soll die Stromversorgung in Nordbayern sichern, wo ein    Prüfung durch Behörden
       Kernkraftwerk abgeschaltet werden soll, und damit auch helfen, die       Unterdessen sind Beamte der Agentur für die Kooperation der
       Probleme mit Polen, Tschechien und der Slowakei zu lindern.   Energieregulatoren in Europa (ACER) mit Sitz im slowenischen Laibach
       Diese Leitung sollte 2016 fertig werden, und das wäre auch für    zu einem Ergebnis gekommen: Sie haben Ende September deutsche
       Österreich gut – jedoch in Wirklichkeit nur ein Tropfen auf dem hei-  und österreichische Regulierungs- sowie Übertragungsnetzbetreiber
       ßen Stein.  Besser wären noch mehr innerdeutsche Leitungen, meint   dazu aufgefordert, sich zur Einführung eines Engpassmanagements
                                                        zu verpflichten und einen Zeitplan vorzulegen. Regulator Martin Graf
                                                        kommentiert das Ergebnis von ACER als „eine Meinung, die eine Netz-
                                                        situation in der Vergangenheit behandelt. Uns geht es aber um die
                                                        Zukunft. Wir sollten daher vor allem über Alternativen nachdenken,
                                                        die volkswirtschaftlich sowohl für Österreich als auch Deutschland
                                                        positive Effekte haben und somit kostengünstiger und effektiver sind
                                                        als das Einrichten des künstlichen Engpasses.“ Klar ist, dass die Ge-
                       Der Rechtsweg                    spräche zwischen Deutschland und Österreich nun auf Hochtouren
                  Das von Polen bei der Agentur für die   laufen. Offen ist das Ergebnis. Und auf das wartet nicht nur die Ener-
               Kooperation der Energieregulatoren in Europa   giewirtschaft mit großer Spannung.
           ACER angestoßene Verfahren war bei Redaktionsschluss
            noch anhängig. Die weitere Vorgangsweise ist in der EU
          „vorgezeichnet“, wie ein hochrangiger EU-Beamter gegenüber
         EAA-Energie Inside erklärt: „Die ACER wird zunächst eine nicht
                                                                               Preis-
        verbindliche Stellungnahme abgeben. Binnen vier Monaten müssen    zonen in Europa
        die Parteien reagieren. Wenn das nicht geschieht, wird die ACER das
       der EU-Kommission mitteilen. Und dann liegt es an der Kommission,   Österreich und Deutschland sind eine
                                                                Preis- oder Biddingzone, weil es keine Engpässe an
       zu reagieren“, also soweit erforderlich ein Vertragsverletzungsverfah-  den Grenzen gibt. An den Grenzen anderer europäischer
        ren einzuleiten. Parallel dazu liegen seit Mitte August EU-Regeln zu   Länder, aber auch innerhalb von Nationalstaaten, kommt es
         Preiszonen vor. Laut EU-Kreisen wird zunächst eine Studie der
                                                          bei der Stromversorgung hingegen immer wieder zu Engpässen. So
        europäischen Übertragungsnetzbetreiber zu Preiszonen gestartet.   zum Beispiel zwischen Spanien und Portugal, die fallweise auch eine
          Die Empfehlung von ACER können die Mitgliedsstaaten dann   gemeinsame Preiszone sind. Aber sobald die Übertragungskapazitäten
             laut dem EU-Beamten „umsetzen oder auch nicht. In   nicht funktionieren, sind die Länder getrennt. Auf nationaler Ebene gibt es
              der Verordnung ist das jedenfalls nicht geregelt.“   Systeme mit Preiszonen seit 2001 in Norwegen und seit 2011 in Schweden
                  Hier sind also kurzfristig keine Ergeb-  und Italien. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) lag
                        nisse zu erwarten.
                                                       der Preisunterschied zwischen den Zonen in Schweden in den vergangenen
                                                        Jahren bei zwei Euro je MWh. Laut dem DIW-Bericht wurden „die grundle-
                                                        genden Probleme der schwedischen Stromwirtschaft – Nutzung der Win-
                                                         dressourcen im Norden und die zukünftige Rolle der Atomkraft – durch
    Foto: Bundeswirtschaftsministerium Deutschland          passmanagement laut DIW zum Beispiel in den USA zwischen
                                                          die Preiszonen nicht wesentlich gemildert“. Gescheitert ist das Eng-

                                                               Pennsylvania, New Jersey und Maryland. Aufgrund von
                                                                 erratischen Preisvariationen sagte der Regulator
                                                                        das System binnen weniger
                                                                           Monate wieder ab.





                                                                                    ENERGIE INSIDE NOV/15   17
   12   13   14   15   16   17   18   19   20   21   22