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Als Gründe nennen sie die „Verringerung der Liquidität und die zumindest Deutschlands Wirtschaftsminis-
Gefahr der Ausübung der Marktmacht“. In Deutschland wird un- ter Sigmar Gabriel. Er besteht auf den Bau
terdessen akribisch daran gearbeitet, die Ursachen für die Überbe- von weiteren Starkstromtrassen vom Nor-
anspruchung der Netze zu beheben: Unter dem Stichwort Redes- den und Osten Deutschlands nach Bayern
patching werden die Stromproduzenten in Norddeutschland immer bis 2024. Das sorgte im Freistaat für poli-
öfter angewiesen, weniger Elektrizität ins Netz einzuspeisen, um Eng- tischen Wirbel und Widerspruch. Gabriel
pässe in den Leitungen von Norddeutschland zu überwinden. Gleich- drohte den Bayern zuletzt sogar mit Preis-
zeitig werden Stromproduzenten in Süddeutschland aufgefordert, zonen – mit dem Effekt, dass nun die politi-
ihre Produktion anzukurbeln. Etwas langfristiger, aber umso nach- schen Akteure wieder an einem Tisch sitzen, Sigmar Gabriel
haltiger ist der Ausbau der Netze bei unserem nördlichen Nachbarn. um an einer Lösung zu arbeiten. Bundeswirtschafts-
Aktuell wird zwischen Thüringen und Bayern eine Starkstromleitung minister Deutschland
gebaut. Sie soll die Stromversorgung in Nordbayern sichern, wo ein Prüfung durch Behörden
Kernkraftwerk abgeschaltet werden soll, und damit auch helfen, die Unterdessen sind Beamte der Agentur für die Kooperation der
Probleme mit Polen, Tschechien und der Slowakei zu lindern. Energieregulatoren in Europa (ACER) mit Sitz im slowenischen Laibach
Diese Leitung sollte 2016 fertig werden, und das wäre auch für zu einem Ergebnis gekommen: Sie haben Ende September deutsche
Österreich gut – jedoch in Wirklichkeit nur ein Tropfen auf dem hei- und österreichische Regulierungs- sowie Übertragungsnetzbetreiber
ßen Stein. Besser wären noch mehr innerdeutsche Leitungen, meint dazu aufgefordert, sich zur Einführung eines Engpassmanagements
zu verpflichten und einen Zeitplan vorzulegen. Regulator Martin Graf
kommentiert das Ergebnis von ACER als „eine Meinung, die eine Netz-
situation in der Vergangenheit behandelt. Uns geht es aber um die
Zukunft. Wir sollten daher vor allem über Alternativen nachdenken,
die volkswirtschaftlich sowohl für Österreich als auch Deutschland
positive Effekte haben und somit kostengünstiger und effektiver sind
als das Einrichten des künstlichen Engpasses.“ Klar ist, dass die Ge-
Der Rechtsweg spräche zwischen Deutschland und Österreich nun auf Hochtouren
Das von Polen bei der Agentur für die laufen. Offen ist das Ergebnis. Und auf das wartet nicht nur die Ener-
Kooperation der Energieregulatoren in Europa giewirtschaft mit großer Spannung.
ACER angestoßene Verfahren war bei Redaktionsschluss
noch anhängig. Die weitere Vorgangsweise ist in der EU
„vorgezeichnet“, wie ein hochrangiger EU-Beamter gegenüber
EAA-Energie Inside erklärt: „Die ACER wird zunächst eine nicht
Preis-
verbindliche Stellungnahme abgeben. Binnen vier Monaten müssen zonen in Europa
die Parteien reagieren. Wenn das nicht geschieht, wird die ACER das
der EU-Kommission mitteilen. Und dann liegt es an der Kommission, Österreich und Deutschland sind eine
Preis- oder Biddingzone, weil es keine Engpässe an
zu reagieren“, also soweit erforderlich ein Vertragsverletzungsverfah- den Grenzen gibt. An den Grenzen anderer europäischer
ren einzuleiten. Parallel dazu liegen seit Mitte August EU-Regeln zu Länder, aber auch innerhalb von Nationalstaaten, kommt es
Preiszonen vor. Laut EU-Kreisen wird zunächst eine Studie der
bei der Stromversorgung hingegen immer wieder zu Engpässen. So
europäischen Übertragungsnetzbetreiber zu Preiszonen gestartet. zum Beispiel zwischen Spanien und Portugal, die fallweise auch eine
Die Empfehlung von ACER können die Mitgliedsstaaten dann gemeinsame Preiszone sind. Aber sobald die Übertragungskapazitäten
laut dem EU-Beamten „umsetzen oder auch nicht. In nicht funktionieren, sind die Länder getrennt. Auf nationaler Ebene gibt es
der Verordnung ist das jedenfalls nicht geregelt.“ Systeme mit Preiszonen seit 2001 in Norwegen und seit 2011 in Schweden
Hier sind also kurzfristig keine Ergeb- und Italien. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) lag
nisse zu erwarten.
der Preisunterschied zwischen den Zonen in Schweden in den vergangenen
Jahren bei zwei Euro je MWh. Laut dem DIW-Bericht wurden „die grundle-
genden Probleme der schwedischen Stromwirtschaft – Nutzung der Win-
dressourcen im Norden und die zukünftige Rolle der Atomkraft – durch
Foto: Bundeswirtschaftsministerium Deutschland passmanagement laut DIW zum Beispiel in den USA zwischen
die Preiszonen nicht wesentlich gemildert“. Gescheitert ist das Eng-
Pennsylvania, New Jersey und Maryland. Aufgrund von
erratischen Preisvariationen sagte der Regulator
das System binnen weniger
Monate wieder ab.
ENERGIE INSIDE NOV/15 17