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Kampf




                     Der                                                                             um  den gemeinsamen










             Seit 2002 besteht zwischen Deutschland und Österreich ein gemeinsamer freier Energiemarkt.
             Doch der könnte bald Geschichte sein. Denn derzeit prüft die EU-Behörde ACER, ob es in dem
             gemeinsamen Marktgebiet zu Übertragungsengpässen kommt. Das Worst-Case-Szenario sind zwei
             Preiszonen und Mehrkosten von bis zu 275 Millionen Euro – für Bayern und Österreich.



            In Wien und München herrschen Verstimmung und Unverständnis      Das hätte teure Folgen – vor allem auch für Österreich. Schwarzer:
            über die aktuelle Entwicklung  auf dem europäischen  Strommarkt.   „Anstatt über die Teilung des bestehenden Strommarktes nachzuden-
            Polen hat die Angelegenheit mit einer Klage ins Rollen gebracht. Aber   ken, sollte es vielmehr darum gehen, wie die Vorteile der gemeinsamen
            schon 2012 forderten die Netzbetreiber in Polen, Tschechien, der Slo-  Preiszone noch besser genutzt werden können.“
            wakei und Ungarn von Deutschland, den gemeinsamen Strommarkt
            mit Österreich aufzukündigen und mindestens zwei Preiszonen in   Bis zu 275 Millionen Euro Mehrkosten
            Deutschland einzuführen.                             Dr.-Ing. Christian Zimmer, Senior Consultant der Beratungsge-
               Die Vorgeschichte: Im Norden Deutschlands wird in Offshore-   sellschaft Consentec, hat im Auftrag der Strombörsen EEX und EPEX
            Windparks  vergleichsweise  viel erneuerbare  Energie  erzeugt.  Der   SPOT die wirtschaftlichen Effekte von Preiszonen in Mitteleuropa
            Strom wird vor allem im Süden Deutschlands benötigt. Doch die   untersucht: „Preiszonen zu verkleinern, ist wirtschaftlich nicht sinn-
            innerdeutschen Stromnetze stoßen kapazitätsmäßig regelmäßig an
            ihre Grenzen. Die Energie sucht sich aufgrund von physikalischen
            Gesetzen den Weg des geringsten Widerstands und weicht regelmä-   „Kleinere Preiszonen bedeuten
            ßig nach Polen, Tschechien, in die Slowakei, Ungarn und auch nach   Nachteile für die europäische
            Österreich aus. Die jeweiligen Netzbetreiber haben alle Hände voll zu    Volkswirtschaft“
            tun, um das Thema technisch in den Griff zu bekommen – obendrein
            ist es kostspielig.                                               Christian Zimmer
                                                                              Senior Consultant,
               Zur technischen Komponente kommt also auch noch ein wirt-      Beratungsgesellschaft Consentec
            schaftlicher Aspekt: 2002 haben sich Deutschland, Österreich und
            Luxemburg dazu entschieden, ein gemeinsames Strommarktgebiet   voll“, sagt er, „weil es dadurch zu einem Eingriff in den freien Strom-
            einzurichten. Seit zwölf Jahren gibt es einen gemeinsamen deutsch-ös-  markt kommt.“ Das Aufteilen der bislang gemeinsamen Preiszone von
            terreichisch-luxemburgischen Strommarkt mit einheitlichen Preisen.   Deutschland und Österreich führe zu erheblichen Zusatzkosten für
            Der Markt funktioniert nicht nur, sondern ist laut Univ-Doz. Dr. Mag.   die Stromkunden in Mitteleuropa. Diese resultierten einerseits aus
            Stephan Schwarzer, Leiter der Abteilung für Umwelt- und Energie-   der Schwierigkeit, „richtige“ und dennoch stabile Zonengrenzen zu
            politik der Wirtschaftskammer Österreich „ganz klar ein Erfolgsmo-  finden, und andererseits aus der Vielzahl von Folgewirkungen, von
            dell.“ Nun will Polen mit seiner Klage bei der ACER überprüfen lassen,   reduzierter Marktliquidität bis hin zur notwendigen IT-Umstellung bei
            ob die „Engpassbewirtschaftung dem europäischen Recht entspricht“,   den Energieversorgern.
            wie das ein EU-Experte für den Strommarkt in Brüssel formuliert.
                                                                 Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)
                                                              hat im Frühjahr eine Studie vorgelegt. Es hat Preisunterschiede
                                   „Die Preiszone mit         von 1,70 Euro/MWh  zwischen den  fiktiven Preiszonen  errechnet.
                              Deutschland ist ganz klar ein   „Konsumenten in der südlichen Preiszone“, zu der dann auch Öster-
                                     Erfolgsmodell“           reich gehören würde, müssten laut der Modellrechnung für Strom
                                                              sogar um „275 Millionen Euro pro Jahr mehr zahlen“. Andere Unter- Fotos: Schwarzer / WKO;  Zimmer / Consentec
                             Stephan Schwarzer                suchungen, die APG-Vorstand DI Mag. (FH) Gerhard Christiner beim
                             Leiter der Abteilung für Umwelt- und    EAA-Energie Talk erwähnt hat, sprechen von Mehrbelastungen von
                             Energiepolitik der Wirtschaftskammer Österreich
                                                              300 bis 400 Millionen Euro für österreichische Verbraucher pro Jahr.


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