Page 17 - EAA_MAGAZIN_JUNI_17
P. 17

STROMPREISZONEN-   Absicherung des Stromhandels        geeignet, gravierende Einschränkungen für grenzüberschreitenden

 KOMPROMISS:   als Basis für gemeinsamen Markt          Stromgroßhandel möglichst gering zu halten. Jedenfalls ende damit
                                                        ein jahrelanger unerfreulicher Diskurs. „Wir begrüßen, dass der Kelch
          Der  derzeit  unbegrenzte  Handel  am  deutsch-österreichischen

       Strommarkt wird mit 1. Oktober 2018 beschränkt. Die Spitzen im   der Trennung der Marktgebiete an der österreichischen Wirtschaft
 WEITERHIN    Stromaustausch werden zukünftig gekappt, der Stromhandel zwi-  vorübergeht", so Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Ein
                                                        vorausgesagter Kostensprung für österreichische Stromkunden von
       schen den traditionell gut integrierten Märkten wird jedoch auch
                                                        zehn bis 15 Prozent habe verhindert werden können. „Mit dem Ver-
       künftig möglich sein. Es können 4.900 Megawatt (4,9 Gigawatt) Strom
 GEMEINSAMER    durch Langfristkapazitäten vergeben werden. Das entspricht in etwa   handlungsergebnis  wird  die  Steigerung  deutlich  geringer  ausfallen,
                                                        die Chancen sind gut, dass ein merkbarer Effekt überhaupt ausbleibt“,
       der Hälfte des österreichischen Verbrauchs zu Spitzenzeiten. Das
 STROMMARKT MIT   sind die Eckpunkte einer Einigung, die zwischen den deutschen und     so Stephan Schwarzer, Leiter der WKÖ-Abteilung für Umwelt- und
                                                        Energiepolitik. „Mit einer Kapazität von vorerst 4.900 MWh fällt das
       österreichischen Energieregulatoren Bundesnetzagentur und E-Control
                                                        Engpassmanagement mit unserem Nachbarn positiver aus als be-
       erzielt wurden. „Wir haben damit letztlich ein gutes Ergebnis erreicht“,
 DEUTSCHLAND  sagen die E-Control-Vorstandsmitglieder Wolfgang Urbantschitsch   fürchtet – und der Flaschenhals soll in den kommenden Jahren wieder
                                                        auf 7.000 MWh erweitert werden“, zeigt sich Industriespartenobmann
       und Andreas Eigenbauer. Im täglichen Handel soll die Kapazitätsver-
                                                        Sigi Menz vorsichtig erleichtert. „Das heißt zum einen, dass der grenz-
       gabe in die Region Central-West, die die Länder Frankreich, Belgien,
       Niederlande, Luxemburg und Deutschland umfasst, integriert werden.   überschreitende Stromhandel nicht zum Erliegen kommen wird und
       Dadurch kann sich die vereinbarte Kapazität von 4,9 Gigawatt um kurz-  wir weiterhin – etwas gebremst – in Richtung europäische Markt-
       fristige Handelskapazitäten erhöhen.             integration gehen können. Andererseits aber wird der Großhandelspreis
                                                        für Strom sich um etliche Prozentpunkte erhöhen. Das tut einem ener-
       Leichtes Aufatmen bei Industrie und Wirtschaft   gieintensiven Industriestandort wie Österreich natürlich immer weh.“
          Vertreter von Industrie, Wirtschaft und Elektrizitätswirtschaft in
 Wie erwartet, wird ab Oktober des kommenden Jahres ein künstlicher Strom-   Österreich begrüßten in ihren Presseaussendungen grundsätzlich die   Energiebörse mit Austro-Produkten
 engpass an der Grenze zwischen Österreich und Deutschland eingeführt. Darauf   Einigung der deutschen und österreichischen Energieregulatoren für   und Kritik an der Preiszone
                                                           Nach der Einigung zwischen den österreichischen und deutschen
 einigten sich Mitte Mai die Regulatoren beiden Länder. Damit wird der intensive   den grenzüberschreitenden Stromhandel an der bilateralen Landes-    Regulierungsbehörden zur Beschränkung des Stromhandels führte die
 Stromhandel zwischen Österreich und Deutschland gedrosselt. Es wird erwartet, dass die Großhandel-  grenze. Die getroffenen Kompromisse seien zwar „von optimal weit   Leipziger  Energiebörse (EEX)  eigene Stromfutures  für Österreich ein
       entfernt, zeigen aber einen pragmatischen Weg“, so IV-General-
 spreise für Marktteilnehmer aus Österreich um maximal fünf Prozent steigen werden. Verhandlungser-  sekretär Christoph Neumayer in einer Presseaussendung. Potenzielle   und kritisiert die Trennungspläne. Gestartet werden die neuen Produkte
 folg war die generelle Aufrechterhaltung des gemeinsamen Strommarktes mit Deutschland.  Preissteigerungen für die österreichische Verbraucherseite seien noch   am 26. Juni 2017. Sie umfassen Grund- und Spitzenlastkontrakte mit
       nicht exakt abschätzbar, würden aber wohl je nach Entwicklung der   einer monatlichen, vierteljährlichen und jährlichen Fälligkeit. Die EEX
       Importströme schlagend werden. „Einige regelrechte Horrorszenarien   folge damit der Nachfrage von Marktteilnehmern nach einem zusätz-
 Österreichische Industriebetriebe wie die voestalpine AG erwarten,   Deutschland und Österreich „unbeeinträchtigt. Es ist die Trennung der   in diesem Sinne konnten aber wohl nun schon abgewendet werden“,   lichen Produkt, das es ermögliche, sich auch gegen Preisänderungen
 dass Strom in Österreich teurer werden wird. Damit rechnet auch   Gebotszonen – nicht der Märkte“, schreibt die Pressestelle auf Anfrage   so Neumayer. „Dies dürfte unter den gegebenen Rahmenbedingungen   im österreichischen Markt abzusichern. Ausgebaut werde zudem die
 Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand des Regulators E-Control. Er geht   von EAA-Energie Inside.   das beste noch zu erzielende Ergebnis sein“, so auch der Präsident von   bereits bestehende Phelix-DE-Produktpalette, wobei unter anderem
 davon aus, dass der Preis für die Kilowattstunde für die Industrie um   Oesterreichs Energie, Wolfgang Anzengruber. Die von den Regulatoren   am 26. Juni zusätzliche kurzfristige Fälligkeiten (Tages- und Wochen-
 höchstens fünf Prozent steigt, für Haushaltskunden werde es kaum   Preiszonen sind die falsche Botschaft  vorgestellte Einigung zur technischen Umsetzung der von Deutsch-  futures) für Grund- und Spitzenlastlieferungen eingebaut werden.
 Auswirkungen geben. Um wie viel österreichische Unternehmen und      Experten wie der deutsche Energielobbyist und Vorsitzende   land einseitig ausgerufenen Trennung der gemeinsamen Preiszone sei   „Die neuen Produkte resultieren aus der geplanten Aufteilung der be-
 Haushalte ab 1. Oktober 2018 tatsächlich mehr für Strom bezahlen   der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und     stehenden deutsch-österreichischen Preiszone, einer Initiative, die aus
 werden müssen, wird die Praxis zeigen.   Wasserwirtschaft, Stefan Kapferer, sehen die künstliche Preiszone   unserer Sicht weiterhin ein Schritt in die falsche Richtung ist.“ Nichts-
 dennoch als „Fehlentwicklung“, wie er bei einer Diskussion im Rah-  destotrotz sei es zum jetzigen Zeitpunkt wichtig, „den Marktteilnehmern
    Ursache für den zu erwartenden Preisanstieg ist die bevorstehende   men des EAA-Energie Talks Mitte Mai in Wien sagte: „Ein europäischer   Lösungen im Hinblick auf die Preiszonenspaltung zu bieten“, erklärt EEX-
 Trennung der gemeinsamen Strompreiszone von Deutschland und   und länderübergreifender Ansatz wie der gemeinsame Strommarkt   Chef Peter Reitz. Bereits am 25. April 2017 startete die EEX den Handel
 Österreich. Diese beeinflusst den Stromhandel zwischen Deutschland  Deutschland und Österreich ist sicherlich die richtige Botschaft.“     mit ausschließlich deutschen Stromfutures (Phelix-DE-Futures).
 und Österreich. Statt der offenen Grenzen wie bisher gibt es künftig   Große, grenzüberschreitende Marktgebiete sind unabdinglich für
 ein Limit für Kapazitäten. Den Marktteilnehmern wurden langfristige   funktionierende, liquide Strommärkte, so die Expertenmeinung. Das
 Kapazitäten „von mindestens 4,9 Gigawatt zugestanden“. Das ent-  oft genannte Vorbild Schweden, wo die Gebotszone 2011 verkleinert
 spricht etwa der Hälfte des österreichischen Verbrauchs zu Spitzen-  wurde, zeigt, dass durch eine Aufteilung in mehrere Preiszonen ein
 zeiten. Im Gegenzug muss „der österreichische Übertragungsnetz-  liquider Markt mit aussagekräftigen Preissignalen gefährdet wird.
 betreiber (Austrian Power Grid, Anmerkung der Red.) den deutschen   Zahlen untermauern das: Die Liquidität auf dem schwedischen Strom-
 Übertragungsnetzbetreibern ausreichend gesicherte Kraftwerks-  markt ist in Folge der Einführung der Preiszone um bis zu 40 Prozent
 leistung für Maßnahmen zur Netzsicherheit zur Verfügung“ stellen.   gesunken, die Zahl der Marktteilnehmer hat sich halbiert. Auch nach
 Wenn dem nicht entsprochen wird, „wird die Handelskapazität von   dem Kompromiss, den gemeinsamen Strommarkt zwischen Öster-
 4,9 Gigawatt in gleicher Menge gekürzt“. So liest sich der Kompromiss   reich und Deutschland aufrechtzuerhalten, rechnen Experten damit,   Stefan Kapferer,  Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung des Bundes-
 aus deutscher Sicht. Trotz der Einschränkungen im Handel sieht das   dass die derzeit hohe Liquidität des gemeinsamen österreichisch-   Foto: istock      Foto: Jakwerth      verbands der Energie- und Wasserwirtschaft, beim EAA-Energie Talk in Wien
 deutsche Wirtschaftsministerium den Strombinnenmarkt zwischen   deutschen Energiemarktes wie in Schweden darunter leiden könnte.


 16   ENERGIE INSIDE JUNI/17                                                        ENERGIE INSIDE JUNI/17   17
   12   13   14   15   16   17   18   19   20   21   22