Page 30 - EAA_MAGAZIN_JUNI_16
P. 30

GASMARKT







                           Perspektiven für Österreich und Europa



            Nachdem der Verbrauch von Erdgas in den letzten Jahren gesunken ist, steigt die Nachfrage
            nun wieder: sowohl in Österreich als auch in der Europäischen Union. Die EU prognostiziert einen
            weiteren Zuwachs. Zu klären bleibt, wie der steigende Gaskonsum abgedeckt werden kann.



            Der heimische Gaskonsum hat in den vergangenen Jahren eine wahre   Ende  Februar 2016  gegenüber  dem deutschen  Handelsblatt.  Sein
            Achterbahnfahrt erlebt: 2014 haben österreichische Haushalte mit   Ziel: innerhalb von zehn Jahren einen Marktanteil von zehn Prozent
            sieben Milliarden Kubikmeter so wenig Gas verbraucht, wie zuletzt   am deutschen Gasmarkt. Zum Vergleich: Zehn Prozent in Deutsch-
            vor 20 Jahren. Der Rückgang lag vor allem an einem vergleichsweise   land entspricht dem österreichischen Gasverbrauch.
            warmen Winter. Vergangenes Jahr änderte sich dieser Trend wieder:
            2015 nahm die Nachfrage nach Erdgas um 7,1 Prozent zu. Die Ös-  OMV-Deal mit Gazprom
            terreicher verbrauchten rund 7,5 Milliarden Kubikmeter Gas. Haupt-     Anfang April 2016 hat die OMV mit der russischen Gazprom
            grund dafür war der wieder vermehrte Einsatz von Gaskraftwerken.   einen Deal ausgehandelt: Im Gegenzug für die OMV-Beteiligung
            Auf europäischer Ebene lässt sich eine ähnliche Entwicklung beob-  an sibirischen Gasfeldern will Gazprom sich an der Ölförderung der
            achten. Nachdem der Gaskonsum in Europa in den vergangenen   OMV in der Nordsee beteiligen. Das Ausmaß der russischen Beteili-
            Jahren vor allem auch durch die stagnierende Konjunktur gesunken   gung an der dort tätigen OMV-Tochter wird von der Bewertung der
            ist, wächst der Verbrauch seit 2014 wieder. Zurzeit umfasst die Gas-  OMV-Assets in der Nordsee abhängen. Das Geschäft soll noch dieses
            nachfrage der Europäischen Union (EU) rund 400 Milliarden Kubik-  Jahr abgeschlossen werden. „Die seit 48 Jahren laufende Partner-
            meter jährlich. Nach Prognosen der europäischen Kommission dürfte   schaft mit Gazprom hat eine sehr solide wirtschaftliche Grundlage.
            der Gasverbrauch stabil bleiben und sogar ansteigen. Die Kommissi-  Die unterzeichneten Dokumente sind ein wichtiger Meilenstein für
            on schätzt den jährlichen Gasverbrauch in der Gemeinschaft in den   die künftig noch intensivere Zusammenarbeit“, sagt Seele in einer
            kommenden Jahren auf 410 bis 420 Milliarden Kubikmeter Erdgas.   Aussendung der OMV. Für das Unternehmen hätte der Einstieg der
            Der Nachteil ist: Die Eigenproduktion der EU sinkt. Weniger als die   Russen den Vorteil, dass Gazprom auch einen Teil der in Norwegen
            Hälfte des Gasbedarfs der EU wird derzeit durch heimische Förde-  notwendigen Investitionen von mehr als einer Milliarde Euro über-
            rung gedeckt. Experten erwarten bis 2030 eine weitere Verringerung   nehmen würde. Gazprom soll jedoch keine österreichischen OMV-
            der europäischen Gasproduktion um 40 Prozent.     Assets bekommen.
            Steigende Gasimporte                              Player Russland
               Die Folge des Rückgangs der europäischen Gasförderung: Die      Univ.-Doz. Dr. Johannes Pollak, der am Institut für Höhe-
            Importzahlen steigen. Derzeit werden rund zwei Drittel des Gaskon-  re Studien sowie an der Webster University forscht und lehrt,
            sums der Europäischen Union importiert. Und zwar hauptsächlich   sieht Russland weiterhin als wichtigen Player: „Ohne Russland
            aus Russland (39 Prozent), gefolgt von Norwegen (30 Prozent) und   ist das Ziel der Energiesicherheit für Europa nur schwer zu errei-
            Algerien (13 Prozent). Österreich bezieht sogar bis zu 60 Prozent der   chen“,  so  der  Politologe:  „Norwegisches  Gas  wird  aufgrund  von
            Gasimporte aus Russland. Von den europaweiten Gaseinfuhren ent-  schwierigen Förderbedingungen teurer, Großbritannien und die
            fallen derzeit 90 Prozent auf Erdgas und der Rest auf LNG.   Niederlande fördern immer weniger, Nordafrika ist aufgrund der
                                                              steigenden heimischen Nachfrage und politischer Unruhen kein
            OMV blickt nach Deutschland                       stabiler Lieferant für größere Erdgasmengen.“ Die EU-Staaten er-
               Eine Doppelstrategie in Sachen Gas fährt die österreichische   halten im Durchschnitt mehr als ein Drittel ihres Gasbedarfs von
            OMV. Einerseits hat der Konzern Kapazitäten am Flüssiggashafen   Gazprom, dem führenden russischen Gaskonzern. Das Unterneh-
            Rotterdam gebucht. Andererseits bezieht er Gas aus Russland und   men hat 2015 knapp 159 Milliarden Kubikmeter Gas nach Euro-
            will über die Beteiligung an der geplanten Nord Stream 2 noch mehr   pa exportiert, um acht Prozent mehr als im Jahr davor. Der Vor-
            Gas nach Mitteleuropa bringen. „Als ersten Schritt werden wir im   teil von russischem Gas ist: Die Förderkosten sind vergleichsweise
            Sommer nach Deutschland expandieren. Schon jetzt leiten wir unser   niedrig. Die US-Schiefergasunternehmen hingegen können kaum
            Gas aus Norwegen oder Rotterdam durch den größten Markt Europas,   unter zehn Euro pro Megawattstunde produzieren. Hinzu kommt:
            nämlich Deutschland, ohne ihn zu nutzen. Das werde ich schnellst-  Viele haben nicht einmal Pipelines zu den wichtigen Gashäfen an
            möglich ändern", sagte OMV-Vorstandsvorsitzender Dr.  Rainer Seele   der US-Ostküste.


            30   ENERGIE INSIDE JUNI/16
   25   26   27   28   29   30   31   32   33   34   35