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So fehle es an Energienetzen als zentralem Eckstein der Energie-Uni- der Energiewende unnötig verlangsamen. Problematisch sieht er, dass
on. „Während die EU-Kommission ‚Luftschlösser baut‘, müsste sie Ös- den Investoren durch die vorgesehenen Rahmenbedingungen keine
terreich Schützenhilfe in konkreten Energieprojekten wie dem Erhalt Investitions- und Rechtssicherheit gegeben werden könne.
DAS „Überschießende Bürokratie vermeiden“
der deutsch-österreichischen Strompreiszone leisten“, fordert er.
„Die EU greift mit der Öffnung nationaler
HOFFNUNGS- noch so undefiniert gehalten, dass ein beinahe übergroßer Interpreta- möglichkeiten der Mitgliedstaaten ein. Damit
Laut Energie-Sektionschef Dr. Michael Losch sind „viele Passagen
Fördersysteme zu sehr in die Gestaltungs-
tionsspielraum entsteht, der Unsicherheit erzeugen kann”.
verhindert sie die Flexibilität der Länder.“
PAKET
„Wir sind für saubere und einfache
des deutschen Bundesverbands Erneuerbare Energie
Marktregeln, die es gestatten, die Erneuerbaren Rainer Hinrichs-Rahlwes, Vorstandsmitglied
an den Markt heranzuführen.“
Neues Strommarktdesign
Gerade um die Märkte zu beleben, will die Europäische Kommis-
Wie die Europäische Union die Umwelt schützen, Energie sparen sion vom Prinzip der Dauerförderungen abgehen und die Verbraucher
und Arbeitsplätze schaffen will – der Versuch einer Zusammenfassung. Dr. Michael Losch, Sektionschef Energie und Bergbau im BMWFW in den Mittelpunkt stellen. Die stärkere Rolle der Konsumenten soll-
te zusätzliche Flexibilität im Strommarkt aktivieren. EU-Kommissar
Gegenüber dem Magazin StromLinie plädiert er dafür, dass „neue Cañete plädierte im Rahmen der 15. Klausurtagung für Energie- und
europäische Regeln einen Mehrwert bringen, einfach und verständ- Umweltpolitik des Wirtschaftsrates in Berlin am 10. März 2017 daher
Die rund 3.500 Seiten Winterpaket haben ein Papiergewicht von rund Drei Hauptziele lich formuliert werden und überschießende Bürokratie vermieden auch für „den aktiven Einbezug von Verbrauchern“. Denn die Kunden
zwei Kilogramm. Das „Monster-“ oder „Jumbopaket“, wie es die Pres- Hauptaugenmerk legt die Europäische Kommission erstens auf wird“. Die Vorschläge der EU-Kommission sollten seiner Meinung sollten am Ende die klaren Gewinner sein. Das unterstreicht auch Kai
se immer wieder nennt, enthält vier Entwürfe für Richtlinien, ebenso Energieeffizienz: Sie soll bis zum Jahr 2030 gegenüber 1990 um 30 nach „nicht getrennt voneinander, sondern im Sinne einer Strategie Tullius von der Generaldirektion Energie der EU-Kommission. Auf der
viele Vorschläge für Verordnungen und zahlreiche Berichte. Es ist die Prozent steigen, also um drei Prozentpunkte mehr als bisher. Erreichen der Energie-Union gesamthaft betrachtet werden“. Die Arbeiterkam- 6. Vertriebstagung des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU)
Ergänzung zu dem im Juli 2015 vorgestellten „Sommerpaket“ und will die Union die Effizienzverbesserung vor allem durch Maßnahmen mer (AK) Wien vermisst beim EU-Winterpaket klare Zielvorgaben, was in Frankfurt/Main, von der energate-messenger berichtete, sagte
behandelt die Themen Energieeffizienz, Marktdesign, erneuerbare im Bereich der Wärmedämmung und durch mehr Effizienz von tech- die Energieexpertin Mag. Dorothea Herzele so formuliert: „Anstelle der EU-Beamte im Februar: „Wir wollen aktiven Konsumenten erlau-
Energie und Governance. Wenn es nach dem Plan der EU-Kommissare nischen Anlagen. Diese Maßnahmen sollen allein rund 400.000 neue verbindlicher Ziele möchte die Europäische Kommission mit umfas- ben, Strom zu produzieren, zu speichern, zu verkaufen oder selbst
geht, soll das Konvolut dabei helfen, Energie zu sparen, das Klima Arbeitsplätze schaffen und 70 Milliarden Euro einsparen. Mit den senden Berichtspflichten einen bürokratischen Papiertiger schaffen.“ zu verbrauchen.“ Wünschenswert wäre laut Tullius eine „aktive Be-
schützen, die Wirtschaft stimulieren und Arbeitsplätze schaffen. Die Vorschlägen zur erneuerbaren Energie sollen zudem noch mehr Ar- Diese Ziele auf Ebene der einzelnen Mitgliedsstaaten wären aber laut teiligung des Kunden im Markt, indem er sein Nachfrageverhalten
Industrie ist zufrieden. Kritiker sprechen von Rückschritten beim beitsplätze in einem Sektor geschaffen werden, der schon jetzt mehr Herzele „notwendig, um die klimapolitischen Ziele in Hinblick auf anpasst oder indem er selbst Energie erzeugt“. Damit die Verbraucher
Klimaschutz. Kerne des Pakets sind weniger Gas- und Ölimporte und als eine Million Menschen beschäftigt. 2014 waren laut Europäischer Energieeffizienz und den Ausbau der erneuerbaren Energie bis 2030 in Zukunft leichter auf Angebotsschwankungen reagieren können,
Investitionen etwa in Gebäudedämmung und Heizungssanierung. Kommission etwa 320.000 Personen in der Windkraftbranche tätig – zu erreichen". Mag. Claudia Kettner vom Österreichischen Institut für möchte die EU-Kommission variable, börsenpreisbasierte Tarifmodel-
Laut EU sollen von 2021 bis 2030 EU-weit jedes Jahr 177 Milliarden fünfmal mehr als vor zwölf Jahren. Zweitens sieht das Winterpaket Wirtschaftsforschung (WIFO) sieht „im Vergleich zu früheren Initiati- le einführen. „Wir möchten den Kunden das Recht auf einen flexiblen
Euro an öffentlichen und privaten Investitionen ausgelöst werden. In vor, die CO -Emissionen in Europa bis zum Jahr 2030 um mindestens ven grundsätzlich die integrierte und gemeinsame Betrachtung der Strompreis und auf einen Smart Meter geben“, sagte Tullius. Flexible
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den zehn Jahren sollen europaweit in Summe 900.000 neue Arbeits- 40 Prozent zu reduzieren. Der Anteil an erneuerbaren Energien im Ver- Energie- und Klimapolitik als Fortschritt“. Tarife würden aus Sicht der EU dazu beitragen, die Kosteneffizienz
plätze entstehen und die Energiekosten für Verbraucher sinken – so- brauch soll dann bei mindestens 27 Prozent liegen. Mit Hilfe des Win- des Gesamtsystems zu verbessern. Der Spitzenbeamte stellte aber
weit das Konzentrat. Maroš Šefcˇovicˇ, Vizepräsident der Europäischen terpakets will die EU beim Übergang zu einem umweltfreundlichen Atomares Ausstiegsszenario gefordert auch klar, dass sich diese sogenannten Prosumer, also Konsumen-
Union, meinte Ende November in einer Aussendung, dass mit dem Energiesystem eine Vorreiterrolle übernehmen. Die dritte Stoßrich- Umweltorganisationen kommen beim Winterpaket aus dem ten, die gleichzeitig auch Produzenten sind, künftig an den Netzkos-
„vorgestellten Paket der Übergang zu sauberer Energie bei gleichzeiti- tung des Energiepakets ist die stärkere Einbeziehung der Konsumen- Beanstanden kaum heraus. Laut dem deutschen Magazin zur Klima- ten beteiligen müssten. Um den Strommarkt flexibler zu gestalten,
ger Modernisierung der Wirtschaft unterstützt werden“ solle. Miguel ten, die Versorgungssicherheit mit leistbarer Energie und gleichzeitig und Energiewende, Klimaretter.info, wittern sie „eine Renaissance will die EU-Kommission Marktbarrieren beseitigen und neue Player
Arias Cañete, Kommissar für Klimapolitik und Energie, lobte die Vor- mehr Markt. Soweit der Plan. Diese drei Ziele stoßen allerdings nicht von Kohle und Atomkraft“. Rainer Hinrichs-Rahlwes, Vorstandsmit- integrieren: Diese neuen Dienstleister, sogenannte Aggregatoren,
schläge der EU-Kommission: nur auf Gegenliebe. glied des deutschen Bundesverbands Erneuerbare Energie, kritisiert sollen Potenziale zur Lastverschiebung bündeln und vermarkten.
gegenüber EAA-Energie Inside nichtfunktionierende Märkte und Jeder Konsument müsse Verträge mit einem dritten, unabhängigen
WKÖ: „EU-Kommission baut Luftschlösser“ Subventionierung von fossilen und atomaren Energien: „Solange wir Dienstleister abschließen können, ohne Erlaubnis seines Versorgers,
„Wir schaffen damit eine Steigerung Stephan Schwarzer, Leiter der Abteilung für Umwelt- und Ener- massive fossile und nukleare Überkapazitäten haben, hat die beste sagte Tullius. „Neue Player müssen im Markt tätig werden können
der Nachfrage nach neuen Technologien, giepolitik der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), kritisiert in Kooperation von Netzbetreibern dort ein Ende, wo die unflexiblen ohne das Einverständnis der etablierten Akteure.“ In den Augen von
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verbessern die Stellung der Verbraucher, sorgen einer Aussendung, dass es so scheine, als wolle die EU „mit Holz- Dinosaurier-Kraftwerke nicht genügend heruntergefahren oder abge- AK-Energieexpertin Herzele sind diese Pläne „eine gefährliche Illusi-
für besser funktionierende Energiemärkte, die uns hammer-Methoden in die einzelnen Mitgliedstaaten hineinregieren“. schaltet werden können.“ Aus diesem Grund fordert er „eine Ausstiegs- on“. Aufgrund des vergleichsweise niedrigen Stromverbrauchs durch-
helfen, unsere Klimaziele zu erreichen.“ Seiner Meinung nach „sollten Entscheidungen über Energiemaßnah- strategie für die fossil-nukleare Energiewirtschaft. Ansonsten würden schnittlicher privater Haushalte sieht sie den Effekt dieser Maßnahme
men in der Zuständigkeit der EU-Staaten bleiben, um die notwendige Foto: istock, APA picturedesk die schmutzigen Energien des vergangenen Jahrhunderts weiter die als gering. Hinzu komme, dass sich nur ein kleiner Teil der Haushalte
Flexibilität innerhalb und zwischen den Staaten zu gewährleisten“. Foto: BMWFW, BEE saubere Energie aus erneuerbaren Quellen verdrängen“. Auch die sei- 1| http://www.energate-messenger.de/news/172025/
Miguel Arias Cañete, Kommissar für Klimapolitik und Energie Schwarzer zweifelt zudem an dem Zeitplan der EU-Kommission: ner Meinung nach zu niedrig angesetzten Ziele würden den Prozess eu-will-die-stromverbraucher-aktivieren, Stand: 21.2.2017
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