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EAA-Energie Talk: Gemeinsame Preiszone Deutschland-Österreich vor dem Aus?

Polen und Tschechien fordern daher das Ende einer gemeinsamen Preiszone zwischen Österreich und Deutschland. Höhere Strompreise und Wettbewerbsnachteile für Österreich wären die Folge.

Seit 2002 besteht zwischen Deutschland und Österreich ein gemeinsamer, unbeschränkter Energiemarkt. Doch der könnte bald Geschichte sein: Denn derzeit prüft die EU-Behörde ACER, ob das gemeinsame Marktgebiet Österreich-Deutschland den EU-rechtlichen Regelungen entspricht. Der polnische Regulator fordert die Trennung des gemeinsamen Marktgebiets, um die Netzsituation in Polen zu entspannen. Der Konflikt zwischen Deutschland und seinen Nachbarnetzbetreibern vor allem in Polen und Tschechien schwelt bereits seit 2012, weil die deutschen Überkapazitäten die Netze in diesen Ländern regelmäßig zum Glühen bringen. Polen hat deshalb die Europäische Energieregulierungsbehörden ACER um Stellungnahme gebeten, mit dem Ziel die gemeinsamen deutsch-österreichischen Strommarkt zu beenden und mindestens zwei Preiszonen einzuführen. Soweit die Vorgeschichte.

Aus aktuellem Anlass stand am Dienstagabend beim EAA-Energie Talk im Museumsquartier die Frage "Stromversorgung der Zukunft: Markt- oder Planwirtschaft?" im Mittelpunkt der Diskussion. Jochen Homann, Präsident der deutschen Bundesnetzagentur und Dipl.-Ing. Mag. (FH) Gerhard Christiner, technischer Vorstand der Austrian Power Grid AG (APG) erörterten neue Spielregeln für Europas Strommarkt. "Um in der Behebung der derzeit angespannten Netzsituation voranzukommen, brauchen wir eine Stärkung des EU-Binnenmarkts und dazu vor allen Dingen den Ausbau der Übertragungsnetze in ganz Europa", sagte Christiner.

Laut Jochen Homann ist "Österreich traditionell der wichtigste Stromhandelspartner Deutschlands. Eine gemeinsame Gebotszone bedeutet uneingeschränkten Handel zu jeder Stunde, allerdings ohne Rücksicht auf Übertragungskapazitäten beteiligter Netze."

Es gebe laut Homann immer wieder Herausforderungen im Netzbetrieb: Netzbetreiber in Deutschland, Polen und Tschechien müssten regelmäßig in den Kraftwerkseinsatz eingreifen, um Überlastungen zu verhindern. Laut Homann seien mit dem Anstieg des Stromhandels zwischen Deutschland und Österreich auch Risiken der Redispatch-Maßnahmen in den letzten Jahren massiv gestiegen; mehrere östliche Nachbarländer fordern daher eine Gebotszonentrennung zwischen Deutschland und Österreich. Deren Ziel: Den gemeinsamen deutsch-österreichischen Strommarkt einzuschränken und zwei Gebotszonen einzuführen.

Eine Stellungnahme der europäischen Energieregulierungsagentur ACER wird für heute Mittwoch erwartet.

Österreich und Deutschland setzen auf gemeinsamen europäischen Strommarkt

Homann sagte, dass "Österreich und Deutschland gemeinsam mit den Kollegen aus Polen und Tschechien eine nachhaltige und effektive Lösung für die Probleme bei der Netzstabilität erarbeiten wollen". Ziel sei eine langfristig vernünftige Balance zwischen den Bedürfnissen des Stromhandels, dem zumutbaren Netzausbau und den berechtigten Sicherheitsanliegen der betroffenen Nachbarstaaten. Deutschland und Österreich bekennen sich zu einer Weiterentwicklung des bestehenden gemeinsamen und offenen Strommarktes, auch wenn laut Homann "nach uns derzeit vorliegenden Informationen eine Gebotszonentrennung keine großen Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Österreich oder die Stromkonsumenten haben müsste". Die Austauschkapazität (Net-Transfer-Capacity NTC) zwischen den Gebotszonen müsste aufgrund guter Leitungsverbindungen zwischen Österreich und Deutschland relativ hoch liegen. Homann: "Weder Deutschland noch Österreich haben Interesse daran, dass der NTC niedriger ausfällt." Laut Informationen der Bundesnetzagentur würde ein solcher NTC den Handel nur in wenigen hundert Stunden und auch nur in geringem Umfang reduzieren. "Die Summe jährlicher Exporte zwischen Deutschland und Österreich würde demnach um weniger als 0,1 Terrawattstunde sinken. Österreich könnte immer noch einen überwiegenden Anteil seiner Last durch Importe decken", sagte Homann.

Von einem "Zumachen" der Grenze könne laut Homann jedenfalls keine Rede sein. Es geht lediglich darum, den Stau, der gelegentlich auf den Stromautobahnen entsteht, möglichst effizient und marktkonform zu managen."

Engpassbewirtschaftung zwischen Österreich und Deutschland

Wirtschaftsforscher sind sich einig, dass "market-splitting" zwar eine Möglichkeit zur Lösung der angespannten Lage am Strommarkt darstellen könnte, sie rechnen allerdings mit erheblichen Nachteilen für die österreichische Volkswirtschaft. Laut deutschen Studien würde sich in einer eigenen österreichischen Preiszone elektrische Energie hierzulande um sechs bis sieben Euro je Megawattstunde verteuern, also um etwa zehn Prozent. Das hätte für österreichische Konsumenten, Unternehmen und Energieversorger in jedem Fall nachteilige Folgen.

Versorgungssicherheit europäisch denken

In Deutschland werde jedenfalls daran gearbeitet, die Ursachen für die Überbeanspruchung der Netze zu beheben: Unter dem Stichwort "Redispatch" werden die Stromproduzenten in Norddeutschland immer öfter angewiesen, weniger Elektrizität ins Netz einzuspeisen, um Engpässe in den Leitungen von Norddeutschland zu überwinden. Gleichzeitig werden Stromproduzenten in Süddeutschland sowie Österreich aufgefordert, ihre Produktionen zu steigern. Etwas langfristiger, aber umso nachhaltiger ist der innerdeutsche Ausbau der Netze. "Aktuell wird zwischen Thüringen und Bayern eine Starkstromleitung, die sogenannte Thüringer Strombrücke, gebaut", erklärte Homann: "Sie soll ab 2016 die Stromversorgung nach Nordbayern sichern, wo ein Kernkraftwerk abgeschaltet werden soll. Die neue Leitung könnte auch zur Linderung der Probleme in Polen und Tschechien beitragen." Ein weiterer positiver Schritt wäre laut Homann die "Vereinbarung von Luxemburg" zur Integration der europäischen Energiemärkte: "Wenn wir uns die Themen etwa zur Versorgungssicherheit in Mitteleuropa ansehen, sind wir uns einig, dass es besser gemeinsam funktioniert als regional."

Weiterer Netzausbau nötig

Christiner unterstrich die Bedeutung des Netzausbaus und forderte eine gesamteuropäische Perspektive ein: "Bei der Stromversorgung geht es zuallererst um den Aspekt der Versorgungssicherheit. Und die können wir nur gesamteuropäisch gewährleisten. Nur wenn wir es schaffen, in den kommenden Jahren unsere Netzausbauprogramme so voranzutreiben, wie wir dies in unseren europaweit abgestimmten Netzentwicklungsplänen dargestellt haben, werden wir auch in einem europäischen Binnenmarkt unser hohes Niveau in der Versorgungssicherheit halten können." Homann stimmte zu: "Wir haben in Deutschland die Notwendigkeit zweier Höchstspannungs- Gleichstrom Stromautobahnen von Norddeutschland nach Bayern nochmals bestätigt. Das ist nun zügig umzusetzen."

Umfassend analysieren und dann entscheiden

Laut Christiner komme es darauf an, die Energiewirtschaft wieder ganzheitlich zu denken, Entwicklungen umfassend zu analysieren und aus den Ergebnissen die entsprechenden Schlüsse zu ziehen: "Es macht meiner Meinung nach keinen Sinn, vorschnelle Entscheidungen zu treffen. Die Übertragungsnetzbetreiber analysieren derzeit im Rahmen einer breit angelegten und europaweit koordinierten Studie ("Biddingzone" Study) die bestehenden Marktgebiete in Hinblick auf ihre technische Funktionsfähigkeit und ihre wirtschaftliche Effizienz. Die Ergebnisse dieser Analysen gilt es abzuwarten, um auf einer soliden Basis und in einem gesamteuropäischen Kontext sinnvolle Maßnahmen zu erarbeiten, die die europäische Netzsituation verbessern."


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